Zum bereits siebten Mal luden am Tag der Kriminalitätsopfer Bischöfin Kirsten Fehrs und der WEISSE RING zu einem gemeinsamen Gottesdienst in die Hamburger Hauptkirche St. Jacobi ein. Dieser besondere Gedenkgottesdienst bot erneut Gelegenheit, Kriminalitätsopfern und ihren Angehörigen Trost und Zuversicht zu spenden, für Toleranz und Respekt einzutreten und zugleich ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Dem diesjährigen Leitgedanken "Augen auf - wehret den Anfängen" widmeten sich Bischöfin Fehrs und weitere Mitwirkende. Für den musikalischen Rahmen sorgten das Polizeiorchester Hamburg mit den Solisten Cecile Poirot und André Peters unter der Leitung von Dirigentin Dr. Kristine Kresge, der Organist Gerhard Löffler sowie Gospelsänger Folarin Omishade und Begleitung. Im Anschluss an den Gottesdienst bestand bei einem Imbiss die Möglichkeit zu Gesprächen. Zusätzlich präsentierte die Künstlerin Anna Schellberg ihre Bilder "Shattered Selves".
Nach Begrüßung durch Bischöfin Fehrs appellierte der Landesvorsitzende des WEISSEN RINGS, Hans-Jürgen Kamp, in seinem Grußwort an die Gottesdienstbesucher vor dem Hintergrund schleichender gesellschaftlicher Veränderungen, in der sich auch zunehmende Gleichgültigkeit zeige:"Lassen Sie uns gemeinsam mit offenen Augen den Anfängen wehren!"
Lars Haider, Chefredakteur des Hamburger Abendblattes, wies anschließend auf eine zukünftig erscheinende Serie in seiner Zeitung über Verbrechen aus Sicht der Opfer hin und auf fünf Regeln, denen sich die Redakteure im Hinblick auf eine respektvolle Berichterstattung verschrieben haben: Keine Fotos von Opfern, keine Fotos von weinenden Menschen, kein Bedrängen, kein Anrufen, kein Anklingeln seitens der Redakteure.
Die Opferperspektive vertrat Christian, ein junger Mann, der in seinem Heimatort Opfer homophober Gewalt wurde. Er schilderte die Tat, die Bedrohung durch die Täter nach seiner Anzeigeerstattung und weitere Diskriminierung während der Gerichtsverhandlung. Unterstützt durch Familie, Freunde und eine Beraterin vom WEISSEN RING beschloss er, sich zu wehren und ganz bewusst an die Öffentlichkeit zu treten "... denn sonst unterstützt man Homophobie und das sollte im 21. Jahrhundert nicht sein." Nach diesem Statement erhielt Christian für sein mutiges Auftreten solidarischen Applaus von den Gottesdienstbesuchern.
Kristina Erichsen-Kruse, stellvertretende Landesvorsitzende des WEISSEN RINGS Hamburg, betonte in ihrer Ansprache die Notwendigkeit der Empathie und des Miteinanders: "Wir als Gesellschaft sollten an der Kultur der Anteilnahme weiterarbeiten und sie pflegen." Denn: "Nur das Miteinander öffnet die Tür zu einer starken Gesellschaft, in der die Menschen füreinander und für ihre gemeinsamen Werte und Rechte einstehen."
Bischöfin Fehrs zeichnete in ihrer Predigt die aktuell um sich greifende Gefahr der Vermischung von Wahrheit und Meinung auf mit den daraus resultierenden sog. alternativen Fakten. "Die Vernebelung der Fakten ist ja auch genau eine klassische Täterstrategie", so Fehrs. "Die Realität wird geleugnet und verdreht. Lüge wird auf eine Stufe gestellt mit der Wahrheit mit dem Kalkül, dass am Ende keiner mehr durchblickt." Daher appellierte auch sie: "Augen auf. Wehret den Anfängen. Es ist keine Zeit in diesen Zeiten für vornehme Zurückhaltung. Im Gegenteil: Es ist dran, dass wir uns gerade machen gegen jede Gewalt, gegen Feindlichkeiten wie Homophobie und gegen all die Lügen, die drohen salonfähig zu werden. Es ist Zeit, dass wir Haltung zeigen für Demokratie und Feinsinn. Für das genaue Wort und die Ehrlichkeit."