Im Namen der WEISSER RING Stiftung lud Roswitha Müller-Piepenkötter, Bundesvorsitzende des WEISSEN RINGS, Experten aus den Bereichen Polizei, Rechtsmedizin, Justiz und Opferhilfe zu dem ganztätigen Workshop „Cold Cases“ am 23.11.2017 in die Halle 13 der Hamburger Hochbahn ein. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand nicht nur die Problematik der ungelösten Tötungsdelikte und der Vermisstenfälle mit dringendem Verdacht auf ein Tötungsdelikt, sondern vor allem die Opferperspektive. „Wir wollen uns um die Betroffenen kümmern, die zum Teil seit Jahrzehnten darauf warten, dass im Fall ihres ermordeten oder verschwundenen Angehörigen neue Ermittlungen geführt werden. Wir wollen ihnen in ihrer Verzweiflung und Hilflosigkeit zur Seite stehen“, sagte Wolfgang Sielaff, Vorstandsmitglied der WEISSER RING Stiftung und Initiator wie auch Organisator des Workshops, in seiner Begrüßungsansprache.
Die bundesweite Anzahl der Cold Cases lässt sich nur schätzen. Es wird von mehreren tausend ungeklärten Mordfällen ausgegangen, hinzukommen die zahlreichen ungelösten Vermisstenfälle. In Hamburg verfügte im vergangenen Jahr der Leiter des LKA, Frank-Martin Heise, in Abstimmung mit der Polizeiführung die Einrichtung einer Cold Case Unit, deren Ermittler mit neuem, unvoreingenommenem Blick die Fälle bearbeiten. „Mord verjährt nicht. Wir bleiben hartnäckig“, versicherte Heise. Dank der Fortschritte in der Kriminaltechnik, der Fallanalyse und der Rechtsmedizin lassen sich auch in jahrzehntelang zurückliegenden, ungeklärten Kapitalverbrechen neue Erkenntnisse gewinnen. Dazu berichtete Prof. Klaus Püschel, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin, anschaulich über den Einsatz neuer wissenschaftlicher Methoden.
Die Wiederaufnahme der Ermittlungen bedeutet für die Angehörigen die Aussicht darauf, eines Tages Gewissheit zu erhalten. Laut Steven Baack, Leiter der Cold Case Unit, äußern die Hinterbliebenen ihm gegenüber ihre Dankbarkeit. Denn die Verzweiflung und Mutlosigkeit lässt bei ihnen auch im Laufe mehrerer Jahre nicht nach. „Zeit heilt keine Wunden“, so Claudia Brockmann, Leiterin des Fachkommissariats Kriminalpsychologie des Landeskriminalamtes. Im Gegenteil, sie sind „der Qual der unbeantworteten Fragen“ ausgesetzt. Kristina Erichsen-Kruse, stellvertretende Landesvorsitzende des WEISSEN RINGS Hamburg, beschreibt die Situation der Hinterbliebenen: „Sie erleben ein Schwanken zwischen Hoffnung und Verzweiflung, Entsetzen und Hoffen, einer scheinbar normalen Alltagsroutine und dem Ausmalen von Horrorszenarien und geraten so immer wieder in den Zustand absoluter Hilflosigkeit. Wenn die vermisste Person sogar nicht aufgefunden werden kann, existiert kein Ansatz, um mit der Verarbeitung des Geschehens zu beginnen. Erst mit dem Auffinden der sterblichen Überreste erhalten die Angehörigen Gewissheit. Sie können Abschied nehmen und trauern.“
Um dieses Leid zu lindern, fordert der WEISSE RING bundesweit mehr spezialisierte Ermittler und eine bessere Einbindung der Angehörigen.